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Problemhund oder Problemumgebung? Die Macht der Begriffe im Hundealltag

Im Alltag mit Hund verwenden wir viele Begriffe. Manche davon schleichen sich unbewusst in unseren Wortschatz ein, andere werden gezielt genutzt. Doch wie oft denken wir darüber nach, welche Wirkung diese Begriffe haben – auf uns selbst, auf unser Training und auf die Art, wie wir unseren Hund sehen? Begriffe sind mächtige Werkzeuge und manchmal können sie mehr Schaden anrichten, als uns bewusst ist.

Carlos, der „Problemhund“

Als unser Tierschutzhund Carlos 2020 bei uns einzog, dauerte es nicht lange, bis das Wort „Problemhund“ seinen Weg in unseren Alltag fand. Fremde auf der Straße, Hundetrainer*innen, an die wir uns wandten, und schließlich auch wir selbst bezeichneten ihn so. Carlos’ Verhalten war tatsächlich eine Herausforderung. Er fiel überall auf und passte so gar nicht in das Bild, das viele von einem „idealen“ Hund hatten. Ständig eckten wir an und bekamen unmissverständlich zu spüren, dass etwas mit ihm „nicht stimmte“. Es war leicht, ihn als Problemhund abzustempeln. Wir mussten nicht nachdenken und nur mit dem Strom schwimmen. Der Begriff schien uns zunächst eine bequeme Lösung zu bieten, um die Herausforderungen mit Carlos zu beschreiben. Aber war es fair? War es richtig? Nein.

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Problemhund oder Problemumgebung?

Carlos ist kein Problem - Carlos hat ein Problem. Dieser feine, aber wichtige Unterschied wurde uns erst mit der Zeit bewusst. Es war nicht Carlos, der problematisch war – sondern die Umgebung, in der er sich befand.

Stellen wir uns einmal vor, Carlos würde in einer Welt leben, in der keine Trigger oder (für ihn) stressige Situationen existieren. Niemand würde ihn dort als „Problemhund“ bezeichnen, denn er hätte keinen Grund, reaktives Verhalten zu zeigen. Sein Verhalten ist stets eine Reaktion auf seine Umwelt - nicht etwas, was ihn ausmacht.

Die Wahrheit ist: Nicht Carlos ist das Problem, sondern die Umgebung. Der Begriff „Problemumgebung“ wäre deshalb weitaus treffender.

Die Macht der Begriffe im Hundealltag

Warum aber hatten wir uns so schnell an den Begriff „Problemhund“ geklammert? Ganz einfach: Er bot uns Halt. Er gab unseren Herausforderungen mit Carlos einen Namen. Doch das Problem mit solchen Begriffen ist, dass sie schnell unser Denken und Handeln beeinflussen. Sie lassen uns unseren Hund in einem Licht sehen, das ihm nicht gerecht wird.

Ein Begriff wie „Problemhund“ stellt den Hund als Ursache des Problems dar. Damit rückt er in den Mittelpunkt der Schuldzuweisung. Doch unsere Hunde können nichts für ihre Prägungen oder die Welt, in die wir sie hineinholen. Carlos kann nichts dafür, dass er als Welpe kaum Umweltreize kennengelernt hat und jetzt unter dem Deprivationssyndrom leidet. Er kann nichts dafür, dass ihn die meisten Situationen im Alltag überfordern. Und am allerwenigsten kann er etwas dafür, dass er bei uns gelandet ist – in einer Welt, die für ihn voller Herausforderungen steckt.

(Hunde-) Begriffe überdenken

Wir möchten Dir mit diesem Beitrag einen Impuls geben. Einen Impuls, die Begriffe zu hinterfragen, die Du für Deinen Hund nutzt. Begriffe wie „Problemhund“, „Pöbler“ oder „Angsthase“ sind mehr als nur Worte. Sie prägen unsere Wahrnehmung und unser Handeln. Sie beeinflussen, wie wir unseren Hund sehen – und damit auch, wie wir mit ihm umgehen.

Carlos ist für uns heute kein Problemhund mehr. Er war es nie. Er ist ein Hund mit Herausforderungen, die wir gemeinsam meistern. Und das beginnt mit der Art, wie wir über ihn sprechen und denken.

Abstand halten Angsthund Hund

Fazit: Begriffe machen Hunde

Welche Begriffe nutzen wir, um unsere Hunde zu beschreiben? Welche Botschaften senden wir damit – an uns selbst, an unsere Hunde und an andere? Die Wahl unserer Worte ist wichtig, denn sie beeinflussen nicht nur, wie andere unseren Hund sehen, sondern auch, wie wir ihn selbst wahrnehmen.

Carlos hat uns gelehrt, achtsamer mit Worten zu sein. Vielleicht kann dieser Beitrag auch Dich dazu inspirieren, die Begriffe in Deinem Hundealltag zu überdenken. Dein Hund ist kein Problem. Er ist ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Grenzen und Erfahrungen – und verdient es, genau so gesehen zu werden.

Noch mehr erfährst Du in dieser Podcastfolge:

rabauken Radau

#7 Problemhund oder Problemumgebung? Die Macht der Begriffe im Hundealltag

Wer schreibt?

Hi, wir sind Nikolas & Lisa und gemeinsam mit unserem Tierschutzhund Carlos haben wir 2021 rabaukenglück gegründet. Auf Instagram und in unserem Podcast „rabauken Radau“ lassen wir andere Hundebesitzer offen & ehrlich an unserem Leben mit Carlos teilhaben und geben hilfreiche Tipps & Reminder für einen positiven & achtsamen Alltag mit Hund.

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