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Urlaub mit reaktivem Hund – unsere Erfahrungen, Tipps & Learnings

Während andere Mensch-Hund-Teams schon wenige Monate nach dem Einzug des Hundes die erste Reise planen, schien das für uns meilenweit entfernt. Nicht, weil wir nicht wollten, sondern weil wir ganz genau wussten: Unser Hund ist (noch) nicht so weit. Und wir auch nicht.

„Erst reifen, dann reisen“ – dieser Satz wurde zu unserem Motto. Fünf Jahre lang haben wir den Gedanken vom gemeinsamen Urlaub gar nicht zugelassen, weil Carlos’ Bedürfnisse wichtiger waren als unser Fernweh. Aber Ende 2025 wagten wir es endlich – unseren allerersten Urlaub mit reaktivem Hund.

In diesem Beitrag nehmen wir dich mit: Von der langen Vorbereitung über unsere holprige Suche nach der passenden Unterkunft bis hin zu den Learnings, die wir aus drei intensiven Tagen mitgebracht haben. Ehrlich, konkret und vollgepackt mit Tipps für alle, die selbst mit dem Gedanken spielen, mit einem verhaltenskreativen Hund zu verreisen.

Fünf Jahre Vorbereitung für drei Tage Urlaub

Carlos kam 2020 aus dem portugiesischen Tierschutz zu uns – als junger, sehr verunsicherter Hund mit großen Deprivationsschäden. Unser Alltag war lange geprägt von Unsicherheiten, Routinen im Minenfeld, Trainingseinheiten zwischen Hoffnung und Überforderung. Urlaub? Was für viele Hundehalter selbstverständlich ist, war für uns ein Ding der Unmöglichkeit.

Wir wussten: Ein Ortswechsel bedeutet für Carlos vor allem eins: Stress pur. Neue Reize, neue Geräusche, fremde Gerüche, andere Tagesstruktur. Es hätte einfach keinen Sinn gemacht. Also haben wir uns Zeit genommen. Viel Zeit. Zeit, um Vertrauen aufzubauen, Routinen zu etablieren, einen Alltag zu finden, der für uns alle drei funktioniert.

Erst Ende 2024, nach viereinhalb Jahren mit Carlos, kam zum ersten Mal das Gefühl auf: Wir könnten es wagen. Wir haben die Basis dafür.

Die Suche nach einer passenden Unterkunft

Anfang 2024 begannen wir, nach einer geeigneten Unterkunft zu suchen. Zunächst auf eigene Faust, dann mit Unterstützung eines Dienstleisters, der sich auf besondere Hund-Mensch-Teams spezialisiert hat.

Auf dieses Angebot wurden wir über Instagram aufmerksam. Die Beschreibung klang vielversprechend und genau nach dem, was wir suchten. Also fragten wir konkret nach, ob das Angebot auch für Hunde mit einer langen Themenliste und besondere Bedürfnisse wie bei Carlos geeignet sei. Die Antwort war ein klares Ja. Der Service sei sogar genau für solche Teams wie uns gemacht. Das stimmte uns hoffnungsvoll.

Wir füllten einen umfangreichen Fragebogen aus, schilderten ehrlich unsere Herausforderungen und Wünsche und warteten gespannt auf die ersten Vorschläge. Doch schnell zeigte sich: Die Kommunikation verlief schleppend und unzufriedenstellend. Die ersten Unterkunftsvorschläge waren weder in der passenden Entfernung noch unter den richtigen Rahmenbedingungen – sie passten in keiner Weise zu uns. Trotz mehrfacher Nachfragen vergingen weitere Wochen, ohne dass konkrete oder passende Alternativen kamen.

Nach über sechs Wochen frustrierender Kommunikation entschieden wir schließlich: Wir beenden die Zusammenarbeit und übernehmen wieder selbst das Steuer.

Unsere wichtigsten Suchkriterien:

  • Alleinlage (keine Mehrfamilienhaus oder direkte Nachbarn)

  • Abgelegen von Wanderwegen oder Straßen

  • Stabil eingezäuntes Grundstück

  • Maximal 1,5 Stunden Autofahrt entfernt (längere Fahrten überfordern Carlos)

  • Kontaktloser Check-In & Check-Out

  • Keine spontanen Besuche der Gastgeber

Ganz ehrlich: Die Suche war langwierig. Wir haben sie mehrfach frustriert pausiert. Aber irgendwann fanden wir eine Unterkunft, die perfekt zu uns und Carlos passte. Und so buchten wir dort drei Nächte im November.

Urlaub reaktiver Hund

Ruhe statt Reize: Unser Urlaub beginnt

Vergangene Woche war es dann endlich so weit. Wir packten unsere Sachen und fuhren zum allerersten Mal mit Carlos in den Urlaub. Kein Hotel, kein Sightseeing-Marathon, kein Trubel. Stattdessen eine ruhige Unterkunft mit viel Platz und einem eigenen, eingezäunten Garten. Alles, was wir brauchten, um uns eine Pause vom “reiz”-vollen Alltag zu gönnen.

Wie unsere Reise ablief, welche Hürden wir meistern mussten und wie Carlos mit dem Ortswechsel umgegangen ist, erzählen wir ganz offen in unserer Podcastfolge 18:

rabauken Radau

#18 Unser erster Urlaub

6 Dinge, die uns im Urlaub mit reaktivem Hund geholfen haben

Während der drei Tage haben wir enorm viel über uns, Carlos und das Reisen mit reaktivem Hund gelernt. Diese sechs Dinge haben uns im Urlaub enorm geholfen, weshalb wir sie unbedingt weitergeben möchten:

#1 EHRLICH KOMMUNIZIEREN:

Bereits im Vorfeld haben wir unsere Gastgeber transparent über Carlos informiert – über seine Reaktivität, seine Bedürfnisse, seine Grenzen. So konnten wir klare Absprachen treffen, z.B. einen kontaktlosen Check-In vereinbaren. Das hat enormen Druck genommen und die Ankunft erleichtert.

#2 ROUTINEN BEIBEHALTEN:

Urlaub bedeutet Veränderung – und damit Unsicherheit. Gerade für sensible Hunde wie Carlos ist das eine große Herausforderung. Deshalb haben wir unseren gewohnten Tagesrhythmus beibehalten: gleiche Fütterungszeiten, gleiche Gassizeiten, gleiche Ruhephasen. Das gab Carlos Orientierung & Sicherheit.

#3 DUFT VON ZUHAUSE MITNEHMEN:

Klingt banal, wirkt aber Wunder: Wir nahmen unsere ungewaschene Bettwäsche mit, Carlos’ Lieblingsdecke und sein vertrautes Schnüffelspielzeug. Die bekannten Gerüche sorgten für Sicherheit und halfen Carlos beim Ankommen.

#4 UMGEBUNG VORHER ERKUNDEN:

Da unser Urlaubsziel nicht weit entfernt war, konnten wir bereits vorab via Google Maps und bei einem kurzen Ausflug die Gegend erkunden. Dadurch wussten wir, was uns erwartet, welche Wege geeignet sind und wo potenzielle Auslöser lauern.

#5 ERST REIFEN, DANN REISEN:

Dieser Punkt liegt uns besonders am Herzen. Nur weil andere Teams früher verreisen, heißt das nicht, dass man selbst „zu spät dran“ ist. Unser erster Urlaub kam nach fünf Jahren – und das war genau richtig. Druck rausnehmen, Vergleichen abstellen und eigene Wege gehen – das war unser größter Gamechanger.

#6 KLEINE ERFOLGE FEIERN:

Im Urlaub war nichts selbstverständlich. Ein entspannter Spaziergang, eine ruhige Nacht, ein ruhiger Moment – all das waren kleine Wunder. Und die haben wir bewusst gefeiert.

Unser Fazit: Urlaub mit reaktivem Hund – anders, aber möglich

Urlaub mit einem reaktiven Hund ist nicht einfach. Er erfordert vorausschauende Planung, realistische Erwartungen und ein hohes Maß an Rücksicht – auf den Hund, aber auch auf sich selbst. Für uns wurde schnell klar: Der perfekte Urlaub beginnt nicht mit der Buchung, sondern mit dem Verständnis füreinander.

Fünf Jahre lang sind wir nicht verreist, weil Carlos – und wir – noch nicht bereit waren. Als es dann endlich so weit war, zahlte sich all die Geduld und Arbeit aus. Die klaren Absprachen mit der Unterkunft, unsere gewohnten Routinen, die vertrauten Gegenstände – all das gab Carlos Sicherheit. Und uns das Vertrauen, ihn gut begleiten zu können.

Was wir gelernt haben? Dass Urlaub mit einem reaktiven Hund nicht bedeutet, auf alles zu verzichten, sondern bewusster zu wählen. Dass es nicht um Sightseeing oder Urlaubsfotos geht, sondern um Raum. Raum für Pausen, für Rückzug, für neue Erfahrungen im eigenen Tempo.

Vielleicht ist Urlaub mit einem reaktiven Hund nicht wie bei anderen, aber das muss er auch nicht sein. Denn am Ende zählt nicht, wie weit man fährt oder wie “Instagramable” die Erlebnisse sind. Es geht darum, dass alle Beteiligten sich wohlfühlen.

Unser erster Urlaub war der Beweis: Auch besondere Hund-Mensch-Teams dürfen sich Erholung erlauben. Sie verdienen ihren Platz – fernab von Normen und Erwartungen. Auf ihre ganz eigene, ruhige und achtsame Art.

Und manchmal reicht genau das, um aus wenigen Tagen etwas ganz Großes zu machen.

Wer schreibt?

Hi, wir sind Nikolas & Lisa und gemeinsam mit unserem Tierschutzhund Carlos haben wir 2021 rabaukenglück gegründet. Auf Instagram und in unserem Podcast „rabauken Radau“ lassen wir andere Hundebesitzer offen & ehrlich an unserem Leben mit Carlos teilhaben und geben hilfreiche Tipps & Reminder für einen positiven & achtsamen Alltag mit Hund.

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